Waldbrände in Sizilien

Sommer 2023

Foto: Projekt Co-Produktion Avocado,  Hof von Mario Cutuli, 2023

Hier ein kurzes Update über die Situation unserer Mitgliedshöfe:

- Mario Cutuli ist dabei, die Wiederherstellung des Bewässerungssystems abzuschließen, indem er versucht, die Pflanzen zu retten, die einen Hitzschlag erlitten haben. Fast alle Pflanzen, die von den Flammen getroffen wurden, sind tot. Wir hoffen, dass einige von ihnen wieder austreiben werden, um dann die Möglichkeit des Aufpfropfens prüfen zu können. Die Avocado Ernte für dieses Jahr wird gen Null gehen, ebenso wie beim größten Teil der Zitronen. Wir schätzen den Einkommensverlust für dieses Jahr auf etwa 20.000 €, hinzu kommen die Ernteausfälle in den kommenden Jahren und die Notwendigkeit, die zerstörten Pflanzen zu ersetzen.
- Az. Agr. Don Cecè hat in dieser Saison einen Ernteverlust von etwa 70 % der Avocados erlitten. Bei den Zitronen scheint es bisher keine nennenswerten Schäden gegeben zu haben.
- Bagolaro hat 100 % der Traubenproduktion verloren, zu denen noch die Kosten für die Beseitigung der noch hängenden vertrockneten Trauben hinzukommen, um die Ernte für das nächste Jahr (vielleicht) zu retten. Die Zitrushaine und ein Großteil des Waldes wurden vollständig zerstört.
- Morabito Franceso  hat zwischen 35 % und 40 % seiner diesjährigen Avocado Ernte verloren. Die Pflanzen scheinen jedoch keine größeren Schäden davongetragen zu haben.
- Az. Basile-Bufalino hat keinen Brandschaden erlitten, aber letzte Woche haben zwei Hitzetage mit über 47° C und ein Westwind mit einer Luftfeuchtigkeit von etwa 5% dazu geführt, dass viele Früchte abgefallen sind. Dies betrifft die jungen Avocadopflanzen und bedeutet einen Verlust der Ernte von etwa 70%.
- Michele Puglisi musste mit ansehen, wie eine alte Zitronenplantage mit wenig ertragreichen Pflanzen abbrannte, in der er aber auch Kartoffeln anbaute und deren Bewässerungssystem er im Jahr 2020 vollständig erneuert hatte. Weder von der Bewässerungsanlage noch von den Zitronenbäumen ist etwas übriggeblieben.

Zuallererst wollen wir uns für die vielen Nachrichten der Sorge und Betroffenheit bedanken, die wir in den letzten Tagen von euch erhalten haben.

Vor einigen Abenden besuchten mich Freund:innen einer österreichischen Foodcoop hier in Caudarella, nachdem sie mehrere Höfe von LeGallineFelici besichtigt und an unserer letzten Versammlung teilgenommen hatten. Am Abend, als sie angekommen sind, schlugen ein paar Kilometer von unserem Hof entfernt auf dem gegenüberliegenden Hügel heftige Flammen auf. Sie waren äußerst beunruhigt und besorgt, dass das Feuer auch uns erreichen könnte und fragten, wie groß die Gefahr für uns sei. Ich glaube, in ihren Augen ein seltsames Erstaunen über meine ruhige Reaktion gelesen zu haben, mit der ich sie beruhigte, als sich mich fragten: "Aber ist das normal, dass so etwas passiert?" und ich darauf geantwortet habe: "Ja, das passiert jedes Jahr, leider ist es normal".

Am nächsten Morgen trafen die ersten Informationen ein: die Timpa (Hügellandschaft typisch für den Süden Italiens) von Acireale wurde zerstört. Pantalica wurde zerstört. Syrakus, Catania, Palermo... aus allen Provinzen kommt die gleiche Schreckensnachricht.Wir beginnen sofort, uns gegenseitig anzurufen, um zu erfahren, was passiert ist und ob es uns gut geht. Die Stimmen sind vor Wut und Weinen gebrochen.

Die meisten von uns sind glücklicherweise nicht zu Schaden gekommen und haben die Brände nur aus der Ferne gesehen. Andere versuchen immer noch, das Ausmaß des Schadens zu begreifen, der nicht nur durch Flammen, sondern auch durch feurige Winde verursacht wurde. Die heiße Luft, die ganze Nacht über 45° C betrug, trocknete das Laub aus, beschädigte Pflanzen und verursachte Produktionsausfälle, die noch immer schwer abzuschätzen sind. Gestern erzählte uns Francesco, dass 50% der Früchte seiner Avocadobäume zerstört sind, Annalisa und Salvo müssen noch herausfinden, was wirklich mit ihren Pflanzen passiert ist.


Für einige war es noch schlimmer. Cinzia und Diego del Bagolaro und Mario Cutuli verbrachten die Nacht inmitten der Flammen und konnten zum Glück ihre Häuser retten, doch die Schäden an den Pflanzen und der Infrastruktur waren enorm. Mario spricht davon, dass die Hälfte des Gartens verbrannt ist und die andere Hälfte nicht mehr bewässert werden kann, da die Bewässerungsleitungen geschmolzen sind. Cinzia berichtet dasselbe. Ihr Wald ist zerstört, der Weinberg kann "vielleicht" wiederhergestellt werden, das Bewässerungssystem muss neu gebaut werden.

Die Zitrusplantage war zum „Glück“ schon älter.Gerade warten wir darauf, von anderen Mitgliedern zu hören, die noch nicht wissen, wie die Pflanzen in den nächsten Tagen reagieren werden.

Es ist normal.

Es ist normal, dass der Bauernhof von Mario, "il salotto buono" ("die gute Stube"), in der alle Besucher:innen, die Freund:innen des Konsortiums sind, von der Schönheit des Gartens mit dem Ätna im Rücken und dem Blick aufs Meer verzaubert wurden, stark beeinträchtigt ist. Es wird Jahre dauern, bis die Pflanzen wieder Früchte tragen und der Ort seine bezaubernde Schönheit zurückgewinnt. In der Zwischenzeit befürchten wir, dass die ersten Regenfälle zu Erdrutschen und Überschwemmungen führen könnten, da es keine Vegetation mehr gibt, die den Hang schützen kann.
Es ist normal, dass Cinzia und Diego, die ihr ganzes Leben in den letzten Jahren in die Umsetzung ihres Projektes investiert haben, das sich um die Fürsorge unserer Böden und die Rückgewinnung der Würde landwirtschaftlicher Arbeit kümmert, nun in der Asche und der verbrannten Erde nach überlebenden Pflanzen suchen müssen.

Es ist normal, dass wir alle jedes Jahr im Sommer Angst davor haben, das Haus für mehr als ein paar Stunden zu verlassen, weil wir befürchten, bei unserer Rückkehr nichts mehr vorzufinden und dass sich die gleichen Verwüstungen jedes Mal wiederholen.

Es ist normal, dass man sich daran gewöhnt, sein Land zerstört zu sehen, dass man sich zunehmend ohnmächtig fühlt und denkt, dass all die geleistete Arbeit, all die Ideen, Projekte und der Wunsch, weiterzumachen, in Wirklichkeit Zeitverschwendung sind.

So ist es heute. Wir haben keine Lust mehr, Mut zu machen und die Geschichte eines schönen und kämpferischen Siziliens zu erzählen.Heute sind wir einfach nur verärgert, enttäuscht und haben den Wunsch, denen, die dieses Land schlecht regieren, eine Ohrfeige zu verpassen.

Es sind Millionen von Euro, die in die Wiederbelebung des Landes investiert werden, in große Infrastrukturen wie die Brücke über die Meerenge, die Sizilien endlich mit dem Rest Italiens verbinden soll. Aber wenn wir nicht damit anfangen, ernsthaft zu fordern, dass jeder Cent für den Schutz des Landes, für die Wiederaufforstung, für die Wiederherstellung der Fruchtbarkeit eines sterbenden Landes, für die Erhaltung dessen, was von der Insel übriggeblieben ist, die einst "der Garten des Mittelmeers" war, ausgegeben wird, wird es bald, allzu bald, nur noch wenig zu verbinden geben.

Morgen werden wir wieder auf die Beine kommen, und gemeinsam werden wir wieder aufbauen, was verloren gegangen ist, aber so ist es heute, so geht es uns, trotz der vielen Nachrichten der Unterstützung, die ihr uns geschickt habt.

Und ich denke, auch das ist normal, auch wenn es nicht schön ist, das zu sagen.


Eine Umarmung an jede:n einzelne:n von euch, wir haben euch gern.

Mico und LeGallineFelici


P.S. Dieser Text wurde unmittelbar nach den Ereignissen, die stattgefunden haben, verfasst. Heute, ein paar Tage später und mit klarem Verstand, hat sich die Wut ein wenig gelegt, das Gefühl der Fassungslosigkeit und Verwirrung für diejenigen, die den größten Schaden erlitten haben, leider nicht.

Wir reagieren bereits, indem wir die Unglücklichsten unterstützen und ihnen helfen. Apropos unglücklich, mir dreht sich der Magen um.

Bis bald